Weniger ist mehr – Heavy Duty Training von Mike Mentzer

Schwere Sätze bis zum Muskelversagen und darüber hinaus – High Intensity Training (HIT) oder „Heavy Duty“ wird momentan gerade über Social Media wieder populär gemacht, obwohl es eigentlich schon Jahrzehnte alt ist. Doch lässt sich aus dem Trainingsstil eines Mike Mentzer oder Dorian Yates einiges für das eigene Training mitnehmen.

Mike Mentzer – Der ungekrönte Mr. Olympia

1980 Sydney, Australien – Einer der denkwürdigsten Mr. Olympias aller Zeiten lässt einen verbitterten Mike Mentzer zurück. Trotz spektakulärer Form musste er sich Arnold Schwarzenegger, welcher nach fünfjähriger Abstinenz sein Comeback im Wettkampf-Bodybuilding gab, geschlagen geben. Mentzer ist aufgebracht — zu Recht, wie viele finden. Moniert wurde vor allem, dass Schwarzenegger deutlich außer Form sei. Außerdem sei er mit sieben der neun Kampfrichtern befreundet, so heißt es. Sein großer Name habe ihm den Titel beschert. Wie so oft in der Geschichte des Mr. Olympia wurde angeblich eine politische Entscheidung getroffen. Mike Mentzer beendete seine Karriere fast augenblicklich nach diesem Wettkampf. Dem Bodybuilding kehrt er zwar nicht den Rücken zu, wohl aber den seiner Meinung nach „korrupten“ Wettkämpfen der IFBB.

Kontrahenten beim Mr. Olympia 1980: Arnold Schwarzenegger und Mike Mentzer.

Der Rebell unter den Bodybuildern

Mike Mentzer gilt als einer der smartesten Bodybuilder aller Zeiten. Sein Heavy Duty Trainingsstil, welchen er beim Kraftsport-Pionier Arthur Jones lernte, unterschied sich fundamental von dem seiner Berufskollegen der 1970er Jahren. Statt wie die meisten Bodybuilder jeden Tag stundenlanges Volumentraining zu praktizieren, stach Mentzer durch extrem intensive und kurze Workouts heraus. Er verstand es, sein Training äußerst effizient zu halten und dabei maximale Resultate zu erzielen. Ein Workout bestand meist aus lediglich drei bis fünf Übungen, nicht mehr als zwei Übungen pro Muskelgruppe. Nach einigen Aufwärmsätzen wurde nur ein einziger Arbeitssatz absolviert. Sechs bis acht Wiederholungen, bis der Muskel versagt. Verschiedene Intensitätstechniken wie Forced Reps, statisches Halten oder kontrollierte Negative sollten alles aus dem Muskel herausholen. Sein Training dauerte nur etwa 30 Minuten. Zwischen den Einheiten lagen teilweise vier bis sieben Tage Pause. In der Vorbereitung auf den Mr. Olympia verbrachte Mentzer laut eigener Aussage nur etwa zwei Stunden die Woche im Gym – nicht einmal so viel, wie seine Kontrahenten an einem ganzen Tag.

Es wäre aber ein Fehler zu glauben, dass kurzes Training gleichbedeutend mit leichtem Training sei. Mentzers Ziel war es, den Muskel mit nur einem Satz maximal zu reizen. Dabei wurde derartig viel Gewicht bewegt wie andere in einer ganzen Trainingswoche. Die Erschöpfung war nach einem Satz so groß, dass kein Weiterer mehr möglich war. Zur Regeneration waren mehrere Tage nicht etwa vorteilhaft, sondern bitter nötig, damit der Muskel regenerieren und wachsen konnte. Dieses hochintensive Training war somit nicht leichter als das anderer Bodybuilder, es war um Längen härter – und enorm effizient.

Mentzers minimalistischer Trainingsstil fand in der Bodybuilding Welt zunächst wenig Anklang. Erst recht nicht bei seinen Berufskollegen, die teilweise zweimal am Tag für mehrere Stunden trainierten. Für die Außenwahrnehmung des Bodybuildings war das in Mentzers Augen ineffiziente „gepumpe“ allerdings besser zu vermarkten als „Heavy Duty“. Mentzer war ebenfalls kritisch gegenüber der Nahrungsergänzungsmittel-Industrie, welche seiner Meinung nach den Leuten unnötig das Geld aus der Tasche ziehen würde. Er setze wenig auf teure Porteinpulver und Supplements. Vielmehr stand eine ausgewogene Ernährung und eine genaue Kalorienplanung im Vordergrund. Auch verteufelte er Kohlenhydrate nicht, sondern sah sie gerade durch das HIT-Training als Hauptbestandteil seiner Nahrung sowohl im Aufbau als auch in der Diät, um Energie zu liefern sowie das Muskelvolumen zu halten. All dies sorgte trotz seiner spektakulären körperlichen Erfolge (unter anderem dem erste „Perfect Score“ beim Mr. Universe 1978) stets für Kontroversen mit anderen Athleten wie Arnold Schwarzenegger oder Frank Zane, der IFBB oder den Muskel-Magazinen der damaligen Zeit.

Dorian Yates als Mentzers „Nachfolger“

Doch auch nach Mentzers Karriereende sollte die Zeit des High Intensity Trainings erst noch folgen. Mehr als zehn Jahre später schockierte der Engländer Dorian Yates die Bodybuilding-Welt mit noch nie zuvor dagewesener Masse. Sein Trainingsstil war der eines Mike Mentzer – wenige Sätze bis zum Muskelversagen und darüber hinaus, minimalistisch und mit genügend Ruhetagen. Mentzer selbst beriet Dorian hierin regelmäßig und spornte ihn zu neuen Erfolgen an. Denn gerade, wenn man schon etwas länger trainiert, wird es oft immer schwerer, sichtbare Fortschritte zu erzielen. Unter anderem riet Mentzer ihm, seine Arbeitssätze von Zwei auf Einen zu reduzieren. Mit Erfolg: Yates schaffte es, trotz mehrerer Jahre Training mit Mike Mentzers Hilfe noch einmal enorme Muskelzuwächse zu erzielen – und das mit weniger Arbeitspensum! Vom 1992 Mr. Olympia, wo Yates 228 Lbs (103,4 kg) gewogen hatte, brachte er 1993 spektakuläre 257 Lbs (116,5 kg) bei 4 % Körperfett auf die Bühne. Durch dieses Trainingssystem konnte sich Dorian Yates nahezu jedes Jahr weiter verbessern und ging als das erste „Massemonster“ mit sechs Mr. Olympia Titeln in die Geschichte des Bodybuildings ein. Dies zeigte, dass gerade fortgeschrittene Athleten, die schon ein paar Jahre trainieren, ebenfalls enorm vom Heavy Duty Training profitieren.

Mike Mentzer zusammen mit 6x Mr Olympia Champion Dorian Yates 1992.

Was bedarf es für High Intensity Training?

Dass High Intensity Training funktioniert, ist hinlänglich bewiesen, doch für wen eignet es sich eigentlich?

Im Fall von Mike Mentzer muss erwähnt werden, dass dieser nicht nur durch Steroide so hart trainieren konnte. Er soll weiterhin aufputschende Drogen wie Crystal Meth und Speed vor dem Training verwendet haben, um diese extremen Lasten zu bewegen. Somit konnte Mike Mentzer teilweise schier übermenschliche Leistungen abrufen, was ohne diese Substanzen nicht in diesem Maße funktioniert.

Doch auch für naturale Athleten sind die Erfolge vom HIT-Training immens. So betreute Mentzer nach seiner eigenen Wettkampfkarriere zahlreiche Athleten und Hobbysportler, die auch ohne Medikamente enorme Erfolge erzielten. Prinzipiell ist HIT-Training also für jeden geeignet, allerdings sollten zwei Faktoren gegeben sein:

  • Korrekte Übungsausführung: Jede Übung sollte in ihrer Mechanik vollumfänglich beherrscht werden. Außerdem muss das Gewicht so gewählt werden, dass dieses zu jeder Zeit kontrolliert sowie der Zielmuskel angesprochen wird. Schwingen oder Momentum sind vorerst fehl am Platz.
  • Muskelversagen lernen: Muskelversagen meint in diesem Fall, dass mit dem Gewicht keine korrekt ausgeführte Wiederholung mehr möglich ist. Wenn der Kopf einem sagt, dass keine weitere Wiederholung mehr möglich ist, heißt das noch lange nicht, dass der Körper keine mehr machen kann. Diese Grenzen auszuloten kann gelernt werden, wenn man Willens genug ist.

Diese beiden Punkte sind bei Anfängern meistens noch nicht gegeben. Zum einen ist in der Regel noch kein Muskelgefühl vorhanden, als dass man Muskeln gezielt ansteuern kann. Dementsprechend mangelt es meist noch an einer korrekten Ausführung. Außerdem können Anfänger noch gar nicht abschätzen, wo genau Muskelversagen liegt, da sie ihren Körper in diesem Bezug noch nicht gut genug kennen. Hier bietet es sich eher an, tatsächlich zuerst mit erhöhtem Volumen zu trainieren, um mit den Übungen und den Gewichten vertraut zu werden. Hat man dann ein gutes Körper- und Muskelgefühl erreicht bei guter Übungsausführung, kann man die Intensität nach oben schrauben.

Auch für Athleten, die in ihrem Training nicht mehr weiterkommen, eignet sich High Intensity Training sehr gut, um neue Reize zu setzen, vorausgesetzt, man beachtet einige Dinge:

Training – Kraftsport ist nicht Marathon

Das Ziel beim Kraftsport ist laut Mentzer nicht, ins Gym zu gehen und zu schauen, wie viele Sätze man machen und wie lange man trainieren kann. Es geht also nicht um Ausdauer, sondern um Stärke und Muskelwachstum. Dies erreiche man per Definition durch kurze und intensive Workouts.

Wie eingangs beschrieben unterscheidet sich High Intensity Training vom Volumentraining dadurch, dass man weniger Sätze (höchstens ein bis zwei Arbeitssätze) ausführt und diese bis zum Muskelversagen macht. Durch Zusatztechniken wie Dropsätze, kontrollierte Negative, Forced Reps oder der Hilfe eines Trainingspartners kann man den Reiz vergrößern. Mentzers Trainingspläne, welche überall im Internet und auf YouTube auffindbar sind, muten gerade für Trainierende, die ein hohes Volumen mit diversen unterschiedlichen Übungen trainieren, minimalistisch an. Richtig ausgeführt ist Mentzers Training allerdings an Brutalität nicht zu überbieten.

Brutale Intensität: Nur ein Satz pro Übung bis zum Muskelversagen.

Ernährung – Kohlenhydrate sind dein Freund

Für das HIT-Training ist laut Mentzer kohlenhydratreiche Ernährung von Bedeutung, um optimale Ergebnisse zu erzielen und den Körper mit Energie zu versorgen. Die ideale Makronährstoffverteilung beläuft sich hierbei auf 60 % Kohlenhydrate, 25 % Protein und 15 % Fett. Diese Komposition veränderten weder Mike Mentzer noch Dorian Yates in der Wettkampfvorbereitung. Je nach Off- oder Onseason wurden einfach die Nahrungsmittelmengen an den Kalorienbedarf angepasst. Mentzer war ebenfalls kein Verfechter für eine ausufernde Massephase mit zu großem Kalorienüberschuss. Der Körper nutze nämlich keine Nährstoffe über seinem Bedarf, scheidet diese wieder aus oder wandelt sie in Fett um. Stattdessen empfiehlt er einen leichten Kalorienüberschuss zum Muskelaufbau. So könne man auf ein Jahr betrachtet am solidesten kontinuierlich Muskeln aufbauen, ohne zu viel Fett anzusetzen. Auch Supplemente sollten nur in Maßen zum Einsatz kommen, da der Fokus auf einer ausgewogenen Ernährung aus den Grundnahrungsmitteln bestehen sollte.

Regeneration – Mehr ist nicht gleich mehr

Die gewöhnliche Sichtweise vieler Athleten auf das Training ist, dass man für noch bessere Resultate noch mehr Zeit im Gym verbringen muss. Was bis zu einem gewissen Grad sicherlich Erfolge beschert, stößt allerdings irgendwann an seine Grenzen. Wäre mehr gleich besser, müsste man irgendwann sieben Tage die Woche für sechs Stunden im Gym sein, um Erfolge zu erzielen. Dem ist nicht so.

Muskelwachstum ist für den Körper immer eine Art „Angriff“, gegen den er sich wehren muss. Dabei nimmt der Muskel in diesem Fall durch das Training Schaden in Form von Mikrorissen. Im weiteren Prozess wird der Muskel vom Körper „repariert“ und noch etwas verstärkt, um auf zukünftige Belastungen besser vorbereitet zu sein. Das Ergebnis sind größere und stärkere Muskeln.

Mentzer vergleicht Muskelwachstum mit dem Graben eines Lochs. Dieses wird vom Körper durch Regeneration „aufgefüllt“ und mit einem „kleinen Hügel“ (Muskelwachstum) verstärkt. Um allerdings diesen Wachstumsprozess auszulösen, braucht der Muskel genug Ruhe, um zu regenerieren. Trainiert man einen Muskel erneut, der noch nicht vollständig regeneriert ist, ist dies, als würde man schon wieder ein Loch in den Muskel graben, obwohl das alte Loch noch gar nicht ausgebessert wurde. Mentzer empfiehlt teilweise vier bis sieben Tage Pause, allerdings richtet sich die genaue Dauer immer nach der individuellen Regenerationskapazität des Körpers. Hierbei geht es allerdings nicht nur um den reinen „Muskelkater“, sondern auch um die Gesamtbelastung des Nervensystems durch HIT-Training.

Fazit – Für jeden etwas mitzunehmen

Zurzeit wird HIT-Training gerade über Social Media wieder populär gemacht, auch da Mike Mentzer mit diversen Abhandlungen und Vorträgen als einer der intelligentesten und populärsten Bodybuilder gilt. Seine unzähligen Klienten zeugen von seinem praxiserprobten Fachwissen. Natürlich muss man nicht alle Ratschläge Mentzers beherzigen, allerdings kann es hilfreich sein, sich hier und da Nützliches herauszupicken. HIT-Training ist nicht für jedermann. Es ist extrem hart und kann bei zu geringer Regeneration Verletzungen begünstigen. Allerdings sind die Erfolge dieses Trainingsstils nicht von der Hand zu weisen. Für viele Trainierende wäre es auf jeden Fall hilfreich, statt sich auf diverse verschiedene Übungen und zahlreiche Sätze zu konzentrieren, zumindest mal einen Satz zu machen, in den man alles hineinwirft und wirklich bis zum Muskelversagen trainiert. Wer dies gewissenhaft tut, wird schnell feststellen, dass mit derartiger Intensität gar nicht so viele Sätze möglich sind. So wird das Volumen automatisch abnehmen, wenn die Intensität steigt. Weiterhin können ein bis zwei zusätzliche Restdays mehr Wunder in der Muskelentwicklung und den Kraftwerten bewirken, wenn der Körper endlich mal Zeit bekommt, zu regenerieren und zu wachsen. Auch dies passiert bei steigender Intensität automatisch. Es lohnt sich also durchaus, das ein oder andere für sein Training zu implementieren.